Das Sensibelchen
Das ist Sensibelchen. Es hat ein riesengrosses Herz, mit dem es viel spürt, und wenn es jemanden mag, dann so fest, dass es manchmal beinahe nicht mehr weiss, wohin mit so viel Liebe. In diesem Fall tanzt oder singt es, um diesen grossen Gefühlen einen Ton oder eine Bewegung zu geben. Sensibelchen schmust gern mit seinem weichen Plüschbären. Der kommt überallhin mit und hat seinen festen Platz im Bett.
Weil Sensibelchen so viel sieht, hört und riecht, ist sein Leben sehr spannend, aber nicht immer einfach. Zum Glück weiss sich Sensibelchen zu helfen: Wenn Sockenknäuel drücken oder Flusen zwischen den Zehen stören, geht es eben barfuss weiter. Es trinkt Wasser ohne Kohlensäure, weil das nicht so kratzt im Hals. Und wenn ein lautes Motorrad vorbeifährt und sich Sensibelchen erschreckt, dann hält es sich schnell die Ohren zu. So ist es weniger schlimm.
Abends im Bett erzählt Sensibelchen alles, was ihm durch den Kopf geht. Und das ist sehr viel! Es tauchen Fragen auf, die es noch besprechen will. Vorher kann Sensibelchen nicht einschlafen. Auch nicht, wenn es zu heiss ist. Oder zu kalt. Es hört seltsame Geräusche im Kopfkissen, spürt sogar mit geschlossenen Augen, wenn ein Lämpchen leuchtet und merkt sofort, dass sein Pyjama anders riecht, weil Oma dieses Mal die Wäsche gewaschen hat.
Der Morgen ist da. Sensibelchen sieht, wie sich sein Windrad draussen im Garten dreht. Es rennt voller Vorfreude mit seinem Drachen übers Feld und fliegt mit ihm davon. Weit weg bis zu den Wolken und sogar über den Regenbogen.
Wenn Sensibelchen von seiner Reise zurück ist, erlebt es die fantastischsten Abenteuer in den Tiefen seiner Bettdecken-Höhle. Oder es fährt mit seinem Baumstrunk-Traktor im Wald. Der Gartenstuhl ist Sensibelchens Hund. Der geht nicht so gerne spazieren. Darum erfinden die beiden Geschichten und üben Kunststücke.
Auf den Putztag freut sich Sensibelchen immer. Es kann schon vieles selber machen. Zum Beispiel die leeren Flaschen in die richtige Mülltonne werfen. Am liebsten sprüht Sensibelchen Putzmittel auf die Glasscheiben und Spiegel. Auf dem Putzeimer und dem Wäschekorb lässt sich prima trommeln, und den richtigen Knopf beim Staubsauger kennt Sensibelchen auch.
Sensibelchen beobachtet alles ganz genau und denkt lange darüber nach. Die Welt ist so gross, und es ist so klein. Dazu braucht Sensibelchen seine Ruhe. Es steigt ins Baumhaus, wo nur die Vögel zu hören sind. Und der Wind in den Blättern.
Geschenke basteln ist wunderbar, weiss Sensibelchen. Es malt und bastelt fürs Leben gern. Meistens sind auch alle begeistert von seinen Kreationen. Nur manchmal sind die Ideen zu gross oder zu wild. Oder am falschen Ort. Wenn die Freude über seine Kunstwerke winzig ist, wird auch Sensibelchen ganz klein.
Sensibelchen redet oft mit seinem Hasen. Der hat ein weiches Fell, einen runden Bauch und lange Ohren, mit denen er gut zuhören kann. Seit einer Weile ist der Hase bei den Sternen. Aber er kann auch von dort noch gut zuhören. Sensibelchen weiss, dass er trotzdem irgendwie noch da ist. Es spürt seinen eigenen Herzschlag und denkt: Da drin hoppelt mein Hase.
Sensibelchen redet gern mit allen Tieren, mit den Katzen im Quartier, den Ameisen, den Regenwürmern. Auch mit jener Raupe, die kürzlich im Garten zu Besuch war. Für die hat Sensibelchen sogar ein Haus gebaut. Und dann geschah das kleine Wunder … Als Sensibelchen kurz darauf einen Schwalben-schwanz am Sandkastenrand entdeckte, war es ganz sicher, dass dieser „danke fürs Haus“ flüsterte, bevor er mit seinen zarten Flügeln winkte und davontanzte.
Manchmal fühlt sich Sensibelchen von den Kindern unverstanden. Dann meint es, es sei alleine auf der Welt. Es fühlt sich, als wäre es von einem anderen Planeten. In diesen Momenten wäre es gern lauter, mutiger, schneller – und weniger ein Sensibelchen.
Meistens weiss Sensibelchen aber, dass es gut ist, so wie es ist. Es gibt ganz viele Menschen, die Sensibelchen verstehen und lieben, genauso wie es ist. Die finden es toll, was Sensibelchen alles erfinden, erzählen und spüren kann. Und die tauchen gern in seine Welt ein.
Wenn Sensibelchen das spürt, dann ist es stolz darauf, ein Sensibelchen zu sein.